Eine Kulturgeschichte des verbotenen Wissens
Dieser ebenso kühne wie extraordinäre intellektuelle Brückenschlag ist typisch für Roger Shattucks in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Buch Forbidden Knowledge, das jetzt mit dem Titel TABU. Eine Kulturgeschichte des verbotenen Wissens bei Piper erschienen ist. Im Mittelpunkt der ethischen Betrachtungen des Bostoner Sprach- und Literaturwissenschaftlers steht also wider Erwarten weder okkultes noch hermetisches Wissen, das nur Eingeweihten zugänglich ist, sondern solche Erkenntnisse, die sich etwa "aus Gründen der Moral, der Schicklichkeit oder der Menschlichkeit" eigentlich verbieten. "Der Drang nach Erfahrung umgibt uns wie die Luft, die wir atmen und zeigt, dass wir den Reiz des Verbotenen akzeptieren und den Schleier des Nichtwissens ablehnen", konstatiert Shattuck und führt zum Beweis literarische Werke und Fallbeispiele von Prometheus und Pandora über Adam und Eva bis zu Faust und Frankenstein, von Himmlers "Lebensborn" über die Atombombe zum Humangenomprojekt ins Feld, um am Ende sechs Kategorien des verschlossenen Wissens zu formulieren.
Manche der bereits 1996 vorgelegten Thesen des Autors sind inzwischen von der Realität eindrucksvoll bestätigt, gar übertroffen worden. Obwohl das Buch streckenweise ein wenig moralinsauer schmeckt, entfaltet es im Verlauf der Lektüre eine eigentümliche Suggestivkraft, die am Ende einer Reihe von Aha-Erlebnissen beim Leser einen bleibenden Eindruck hinterlassen dürfte.